Das CERN gönnt sich ein Upgrade
Er verstehe nicht, was die TeilchenphysikerInnen im CERN genau machen, schliesslich habe er nur zwei Jahre Physik gehabt. Marco Ruggiero schmunzelt und dreht sich auf die für den Laien auf den ersten Blickeher unspektakuläre Baustelle ab.
Ein paar ältere Gebäude stehen auf dem Gelände, sie erinnern an überdimensionierte Container. In der Mitte sticht einer hervor, es ist das neuste bereits fertiggestellte Gebäude auf dem Areal des CERN, das Metall der Gebäudehülle blendet in den Augen.
Marco Ruggiero ist 45 Jahre alt, hat Bauingenieurwesen an der Politecnico di Milano studiert und arbeitet bei der Pini Group als stv. Leiter der Division „Construction Management“ arbeitet. Mit seiner Familie wohnt er im Tessin, von wo aus er seit der Pandemie einen Tag pro Woche arbeitet. Einen weiteren Tag verbringt er auf der Baustelle TELT Maddalena (neuer alpendurchquerender Bahntunnel Turin – Lyon) in Italien, den Rest der Woche in Frankreich auf der Baustelle des CERN. Dort ist er verantwortlich für die Bauleitung Tiefbau. Die Pini Group AG übernahm im Rahmen eines Konsortiums die Ingenieurleistungen im Bereich Vorprojekt, Ausschreibungsplanung, Ausführungsprojekt und Bauleitung.
Das Spektakel
Das Spektakel des CERN sowie jenes der aktuellen Baustelle liegt unter der Erde. Das CERN, die Europäische Organisation für Kernforschung, ist eine Grossforschungseinrichtung in der Nähe von Genf, die teilweise in Frankreich und teilweise in der Schweiz liegt. Am CERN wird physikalische Grundlagenforschung betrieben, insbesondere wird mit Hilfe von Teilchenbeschleuniger der Aufbau der Materie erforscht. Das CERN wird von 23 Mitgliedstaaten getragen. Dementsprechend ist die Bauherrin international und privat organisiert.
Das Herzstück des CERN bildet der Teilchenbeschleuniger, welcher sich in einem 27 Kilometer langen Ring unter der Erde befindet. Der Ring muss man sich als grossen und begehbaren Tunnel vorstellen, in welchem tausende Meter von Kabeln und supermagnetische Röhren die technischen Voraussetzungen für das Beschleunigen von Teilchen schaffen.
Kaverne: Nichts für Menschen mit Höhenangst
Der Ringtunnel ist über vier Kavernen erreichbar, eine davon liegt im französischen Cessy, 15 Kilometer von Meyrin entfernt. Im aktuellen Projekt werden zu den bestehenden zusätzliche Kavernen gebaut, in welchen technische Installationen für die Aufwertung des Teilchenbeschleunigers verstaut werden können.
Erreichbar sind die 50 Meter langen und 20 Meter hohen Kavernen über einen 60 Meter tiefen Schacht und einen 300 Meter langen Stollen. Aktuell stehen die Bauarbeiten kurz vor dem Abschluss. Will man zu der Kaverne kommen, geschieht das im Moment über einen Drahtkorb und einen Kran: Man steigt auf der Baustelle in den Korb, schliesst die Gittertür, der Kran zieht an, hievt den Korb über das Loch und lässt die Besucherin dann langsam runter. Ein Bisschen Mut braucht dieser Baustellenbesuch auf jedenfall!
Agil, komplex und international
Auch sonst erinnert nicht viel an eine durchschnittliche Schweizer Baustelle. Die Bauherrschaft ist privatrechtlich und international organisiert, das färbt ab. Gesprochen wird hauptsächlich auf Englisch, aber auch Französisch, Italienisch und Deutsch hört man immer wieder. „Durch den privatrechtlichen Status des CERN entfallen lange Planungsphasen mit politischen Prozessen, Entscheide werden schnell gefällt und eine rasche Umsetzung wird dann erwartet.“, so Marco Ruggiero der Pini Group AG. So wurden zum Beispiel kurz vor Baustart weitere Elemente für das nächste technische Update in Auftrag gegeben und diese hatten Einfluss auf das vor Baustart stehende Projekt. Bereits ist das CERN in Planung für den nächsten Ausbauschritt. Faktisch lässt sich sagen, dass das CERN konstant und organisch wächst, ganz „nebenbei“ wird Eliteforschung betrieben.