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Fairness (auch) in Bauverträgen

Recht Unternehmen Freitag, 15. Juli 2022

Im Editorial der Ausgabe usic news 01/22 habe ich mehr Fairness in Planerverträgen gefordert. Die Vorgabe von unfairen Planerverträgen durch die Auftraggeber seien nicht nachhaltig, unvernünftig und würden zu unnötigen Streitigkeiten führen. Das unsachliche Verweigern berechtigter Nachtragsforderungen sei ebenso inakzeptabel wie lebensfremd.

Ich habe etliche positive Rückmeldungen auf diesen Text erhalten, die zeigen, dass ich durchaus einen (leidigen) Nerv der Zeit getroffen habe.

Von Seiten eines Unternehmers habe ich zudem den sehr berechtigten Hinweis bekommen, dass Analoges natürlich auch für die Verträge mit den Unternehmern gelte. Auch dort mangle es oftmals an Fairness und der Unternehmer werde in sehr einseitige und unvorteilhafte Verträge gezwungen. Er fügt – auch wieder völlig zu Recht – an, dass nicht selten Ingenieure (mit-)verantwortlich seien für solche einseitigen Vertragswerke, da sie ja die Bauherren in diesem Sinne beraten und unterstützen würden.

In der Tat: Es gehört zu den Aufgaben des Planers, für den Bauherrn die Werkverträge mit den Unternehmern vorzubereiten. Für den Oberbauleiter ist die «Ausfertigung der Werk- und Lieferverträge auf Basis der Norm SIA118 und gängiger Standardverträge» eine Grundleistung (Art.4.3.4ORdnung SIA103), für den Fachplaner handelt es sich bei der entsprechenden «Mithilfe» um eine besonders zu vereinbarende Leistung. In der Praxis hat somit der Planer einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Vertragsgestaltung des Bauherrn. Vor allem bei wenig erfahrenen Bauherrn dürfte dieser Einfluss sehr gross sein; bei grossen, professionellen Bauherren wird der Einfluss des externen Beraters kleiner sein.

Natürlich gilt für Bauwerkverträge das gleiche wie für Planerverträge: Auch hier ist ein fairer Interessenausgleich sicherzustellen. Einseitige Risikoüberwälzungen auf den Unternehmer sind oftmals kontraproduktiv: Kann der Unternehmer ein Risiko nicht selbst beherrschen, ist er auch kaum in der Lage, die entsprechenden Kosten abzuschätzen und in sein Angebot einzupreisen. Streitigkeiten sind vorprogrammiert. Risiken, die naturgemäss beim Auftrag- geber liegen (z.B. Baugrund, Bewilligungen, Nachbarn etc.), sind richtigerweise auch vom Auftraggeber zu tragen. Auch hier soll die «Sphärentheorie» zur Anwendung gelangen: Jede Partei soll diejenigen Risiken tragen, die sich in ihrer Sphäre ergeben.

Interessant ist, dass die SIA LHO dem Planer die Ausfertigung von Werkverträgen «auf Basis der Norm SIA118 und gängiger Standardverträge» nahelegt. Zu letzteren dürften wohl insbesondere die KBOB-Verträge gehören. Die SIA LHO empfiehlt dem Planer somit keine Experimente, sondern sie rät die Anwendung der bewährten Standardverträge. Der Planer, der seinem Auftraggeber die Anwendung der SIA Norm118 auf die Werkverträge empfiehlt, tut somit das richtig – er erfüllt damit seine Sorgfaltspflicht.
Die vorliegende Thematik wird seit einiger Zeit im Rahmen von Bauenschweiz, der Dachorganistation der Schweizer Bauwirtschaft, diskutiert. Im Januar 2022 hat Bauenschweiz nun ein Positionspapier publiziert, mit welchem sich die Bauwirtschaft für die Weiterentwicklung und Stärkung der SIA118 als wichtiges Vertragswerk stark macht.

www.bit.ly/Abaenderungen_SIA118

Das Dokument enthält eine Liste mit Klauseln, die oft abgeändert werden, wenn die SIA Norm118 vereinbart wird. Das Papier bildet eine gute Grundlage für eine ernsthafte Diskussion zwischen dem Bauherrn und seinem Berater darüber, welche Änderungen in den Bauwerksverträgen wirklich sinnvoll sind und welche doch eher kontraproduktiv sind. Das Papier von Bauenschweiz verdient breite Beachtung.

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