Perspektiven für die Ukraine
Vor über zwei Jahrzehnten haben wir unser Engagement in der Ukraine gestartet. Heute ist Global 17 eine Schwesterfirma der HHM Gruppe mit 65 Mitarbeitenden in Kiew und Dnipro. Im Gegensatz zur Schweiz hat der Ingenieurberuf in der Ukraine bei Frauen Tradition. Der Frauenanteil in unserem Büro liegt entsprechend bei über 50%. Die fehlenden Fachkräfte in der Schweiz waren der Grund für den Aufbau von Kompetenzen für Gebäudetechnikplanung und Softwareentwicklung im Osten.
Was wir seit dem Beginn des Kriegs erleben mussten, ist derart vielschichtig, dass diese Zeilen dem nie gerecht werden können. Bereits vor dem Ausbruch der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine haben wir uns auf dieses Worst-Case-Szenario vorbereitet. Damals haben wir uns zwei Ziele gesetzt und daran hat sich bis heute nichts geändert:
1. Die Sicherheit unserer Mitarbeitenden UND ihrer Familien haben oberste Priorität.
2. Wir wollen den Betrieb aufrechterhalten. Dies ist für Mitarbeitende und Kunden gleichermassen wichtig.
Mit Kriegsbeginn wurden deshalb alle Mitarbeitenden, die das wollten, in den Südwesten der Ukraine, ins Karpaten Gebirge evakuiert. Wir sind seit Kriegsausbruch täglich mit praktisch allen im Kontakt, egal wo sie sich befinden. Seit Wochen sind der Grossteil unserer KollegInnen in Sicherheit und sie arbeiten; eine Gruppe mittlerweile aus einem neuen Hub von Polen aus. Viele andere sind über das Land verteilt. Es sind 65 individuelle Geschichten, die man an dieser Stelle erzählen könnte. Die Aufrechterhaltung des Betriebs ist essenziell für die Mitarbeitenden. Wir hören es fast täglich, Arbeit ist die beste Ablenkung. Es ist ihre Form des Widerstands, mit Wirtschaftsleistung das Land am Leben zu halten.
Es herrscht Krieg in der Ukraine und gleichzeitig darf festgestellt werden, dass der Staat sowie seine Bewohner die Infrastruktur bis hin zur Post bestmöglich aufrechterhalten. Zahlungen funktionieren und Hochqualifizierte üben ihre Jobs weiterhin vor Ort aus. Genau das ist ein zentraler Punkt, den wir in der Schweiz bei aller Hilfe und lobenswerten Solidarität bedenken müssen. Im Gegensatz zu den teilweise jahrzehntelangen Kriegen in Pakistan oder auch in Syrien, die perspektivenlose Zivilgesellschaften zurückliessen, war die Ukraine vor Kriegsausbruch in einer demokratischen Aufbruchstimmung. Man war dran, das Land neu zu gestalten und diese Chance darf der Ukraine nicht genommen werden.
Die Unterstützung der HHM Gruppe fokussiert deshalb darauf, vor Ort und quasi in Sichtweite zur alten Heimat an die Zukunft zu denken. Wir wollen mit unserer Hilfe alles daran setzen, dass die Ukraine ihre besten Leute nicht verliert. Unsere Unterstützung ist deshalb kein Sprint, es wird ein Marathon. Wenn wir neben den Familien auch Fachkräfte (und um diese geht es hier) mit offenen Armen in der Schweiz willkommen heissen, dann müssen wir gleichzeitig bereit sein, diese wieder zurückkehren zu lassen. Die Ukraine braucht diese SpezialistInnen. Es darf nicht sein, dass wir ein Land aufgrund eines Krieges dieses Potenzials berauben. Die eigenen Motive für Handlungen gehören deshalb immer wieder auf den Prüfstand. Bei der Beschäftigung von Flüchtlingen in der Schweiz sollen wir die Gleichbehandlung mit Flüchtlingen aus anderen Ländern oder Aspekte wie den Inländervorrang oder Kontingente für ausländische Fachkräfte nicht vergessen.
Seit der Gründung unseres Ingenieurbüros in Kiew im Jahr 2001 bin ich regelmässig in dieser schönen Stadt gewesen. Ich habe diese kennen, schätzen und lieben gelernt. Kiew mit seinen Menschen hat mit der «Orangenen Revolution» im Jahr 2004 und der «Maidan Revolution» 2014 viele Herausforderungen überwunden und sich zu einer äusserst attraktiven Stadt entwickelt. Die UkrainerInnen mussten sich das hart, auch mit Menschenleben, erkämpfen. Diesen eisernen Willen der Selbstbestimmung können wir aktuell wieder eindrücklich erleben. Die Ukraine führt aber nicht nur einen Krieg mit Waffen, sie muss auch wirtschaftlich überleben können. Nach 22 Jahren unternehmerischer Tätigkeit in der Ukraine erachten wir es als unsere Verantwortung, sie in ihrem wirtschaftlichen Kampf zu unterstützen. Dies gibt unseren IngenieurInnen und ihren Familien Hoffnung. Diese Perspektive dürfen wir ihnen keinesfalls nehmen.