Pionierprojekt für neue Zusammenarbeitsmodelle
Neue Zusammenarbeitsmodelle wie Intergrated Projekt Delivery (IPD) und integrierte Projekabwicklung (IPA) sind viel diskutierte Themen. Sie sollen helfen, die heute oft bestehenden Interessengegensätze, die regelmässig zu Problemen und Streitigkeiten im Projektablauf führen, zu durchbrechen und eine bessere Grundlage für eine effiziente und erfolgreiche Projektabwicklung zu schaffen. Verschiedene Bauherren und Projektbeteiligte diskutieren entsprechende Modelle und suchen Möglichkeiten, diese zu implementieren oder teilweise zu adaptieren. Ein solches Projekt ist das Neubauvorhaben «unique» der Firma Thermoplan in Weggis. In den vergangenen Monaten wurde in Anlehnung an die IPD-Gedanken ein neuartiges Zusammenarbeitsmodell entwickelt. Dieses basiert weiterhin auf Einzelverträgen der Bauherrschaft mit den beauftragten Planern und Unternehmern. Gleichzeitig werden aber Kollaborationsgrundsätze in einem einheitlichen, für alle wichtigen Projektbeteiligten gleichermassen geltenden Dokument vertraglich vereinbart. Darin werden zentrale Gedanken des IPD-Modelles aufgenommen (Organisationsform, Kollaboration, Vergütungssystem etc.). Mit HHM ist ein usic-Mitglied in diesem Projekt aktiv beteiligt. Der usic Geschäftsführer durfte das Projekt rechtlich begleiten.
Integrated Project Delivery (IPD) ist ein kollaboratives Bauprojektverfahren, bei dem die Beteiligten von Beginn an in den Bau- und Planungsprozess miteinbezogen werden. Beim Projekt «unique» von Thermoplan wird aus dem geflügelten Begriff pionierhafte Realität. Die Unternehmen tragen gemeinsam Nutzen wie Risiken. IPD fordert mehr als Menschen, Technik und Prozesse. Der Begriff bedingt eine neue Kultur der Zusammenarbeit. Dafür stand auch die erste Generalversammlung des Projektteams vom 11. März in Weggis, an der u.a. das IPD Executive-Team gewählt wurde.
Bei Thermoplan ist zu lesen: « ‹unique› setzt mit Integrated Project Delivery (IPD) den Massstab für eine neue Art zu bauen und ist in seiner Gesamtheit schweizweit einmalig: Beteiligte Unternehmen und Gewerbe sind von Beginn an miteinander vernetzt und miteinbezogen, Einzelschritte in Planungs- und Umsetzungsphasen weichen gemeinsamen Etappen und der Planungsstand ist bei allen Beteiligten stets transparent.»
Hohe Ziele und ein gemeinsames Commitment
Einmal jährlich findet die Generalversammlung mit den jeweiligen Vertreterinnen und Vertretern der aktuell rund 20 Partnerfirmen statt. Die GV wählt das Executive-Team, das Kontrollorgan des Projekts. Dieses Team übernimmt die strategische und ideelle Projektsteuerung. Es ist der eigentliche IPD-Visionsgeber und unterstützt bei der Auswahl von Partnern oder überwacht das Projektversprechen, die Ziele und Metriken. Und die Vielfalt der IPD-Ziele spannt einen Bogen weit über das Übliche hinaus. Auch das ist Ausdruck dieses aussergewöhnlichen Projekts.
Adrian Steiner, der Auftraggeber und Thermoplan CEO, machte auch deutlich, dass es Mut und Weitsicht braucht und sich der Erfolg nur im Team einstellt. Das Projekt schafft am Produktionsstandort in der Zentralschweiz eine Verdoppelung der Infrastruktur-Kapazität. Für Thermoplan ist die spätere Flexibilität in der Produktion zentral. Dass man dafür von Beginn weg konsequent zusammen plant und nach gemeinsamen Zielen strebt, bietet eine Chance. Dennoch ist das Unterfangen anspruchsvoll, soll es doch auf dem Weg keine Verlierer geben. Man wird auf Herausforderungen oder Probleme mit Lösungen reagieren.
«Das aber nie als Kompromiss am Gesamtwerk», wie Adrian Steiner betont. Und dass auch in Sachen Nachhaltigkeit und Zertifizierung höchste internationale Standards angestrebt werden, ist Ausdruck des Anspruchs.
Messen, lernen und justieren
Die digitalen Optionen spannen zwar neue Möglichkeitsräume in der Planung auf und stellen damit eine wesentliche Bedingung der IPD-Infrastruktur dar. Dennoch macht die Einmaligkeit des Projekts vermutlich weniger der Grad an digitaler Technologie als vielmehr die gemeinsame Verpflichtung an übergeordneten Zielen aus. Mit Blick auf die IPD-Ziele wird schnell deutlich, dass dieses Pionierprojekt vor allem auch ein Kulturprojekt ist. In den acht Themenfeldern der Ziele im Projekt-Cockpit des Executive-Teams finden sich neben «Qualität der Bausubstanz» oder «Baukosten/Management» beispielsweise Aspekte wie «Mitarbeiter-Zufriedenheit» oder «Stakeholder-Zufriedenheit». Man hat die Erwartungen hochgesteckt, da gehört es dazu, dass man die späteren Nutzer anhört und ebenso die Beteiligten während des Bau- und Planungsprozesses.
Das umfassende Monitoring, das auch mit Unterstützung der FHNW (Institut Digitales Bauen und Institut für Kooperationsforschung und -entwicklung, if k) erarbeitet wurde, macht Erfolg und Störungen messbar. Das ist eine Voraussetzung, damit in der Projektierung rechtzeitig auf Probleme reagiert werden kann. Schliesslich partizipieren die beteiligten Unternehmen solidarisch am Erfolg und Misserfolg. Dafür wird während der Projektierung und Bauphase eigens ein Fonds geäufnet, der sich aus noch zurückbehaltenen Zahlungen speist. Diese gehen erst bei Projekterfolg an die beteiligten Unternehmen.
Eine treibende Kraft hinter dem Vorgehen ist IPD Executive-Team-Mitglied Urs von Arx von der HHM Gruppe.
Er hat es so zusammengefasst: «Bei IPD geht es darum, dass man Technik mit der Organisation und dem Menschen verbindet. Dazu braucht es auch neue Vertragsformen und dazu braucht es einen Bauherrn, der Innovation und damit Entwicklung zulässt und fördert.» Dieses Projekt ist einmalig, weil es auf Vertrauen und Professionalität baut und weiche Faktoren harte Fakten liefern.
Emmanuel Gilgen ist Geschäftsführer der digireal AG und begleitet das Projekt «unique» als Mitglied des Management-Teams.
Vier Fragen an ihn:
Welches sind die Schlüsselerkenntnisse aus dem ersten Jahr IPD für den innovativen Auftraggeber Thermoplan?
IPD bedingt Transformation und ist deshalb harte Knochenarbeit. Es ist ein Kulturthema, dem auf ganzer Ebene Aufmerksamkeit zukommen muss. Die Projektkommunikation ist von essenzieller Bedeutung.
Erlebst Du einen Paradigmenwechsel in Deiner Arbeitoder ist es mehr Business as usual?
Ja, definitiv. Es ist keine Seltenheit, dass wir Aussagen hören wie diese von einem beteiligten Unternehmer: «Ich bin immer wieder geflasht von diesem Projekt. Diese Art der Zusammenarbeit macht glücklich und sie bereichert.»
Ganz kurz. Ist IPD die Zukunft?
IPD ist ein Modebegriff, der einmal «ausgelutscht» sein könnte. Doch die Werte, für die IPD im Thermoplan-Projekt steht, sie überdauern. Es geht um Grundlegendes wie Vertrauen und Wertschätzung. Deshalb ja, der «IPD-Geist» ist die Zukunft.
Ein Auftraggeber kommt auf Dich zu und will IPD machen. Was antwortest Du?
Bist du bereit, die am Projekt Beteiligten als Partner auf Augenhöhe anzuerkennen und ihnen zu vertrauen? Mit anderen Worten: Wie ist dein eigenes Mindset, wie kompatibel sind deine Kultur, deine Werte?