Revision Bauarbeitenverordnung
Der Arbeitssicherheit auf Baustellen kommt eine hohe Bedeutung zu. Der Sicherheit der Personen, die auf einer Baustelle tätig sind, dienen deshalb eine Vielzahl von gesetzlichen Grundlagen: Arbeitsschutzbestimmungen finden sich namentlich im Arbeitsgesetz, den darauf basierenden Verordnungen, sowie der Verordnung über die Unfallverhütung (VUV). All diesen gesetzlichen Grundlagen gemein ist, dass sie sich an den Arbeitgeber der jeweiligen auf der Baustelle tätigen Personen richtet.
Der Arbeitgeber ist für die Gesundheit und die Sicherheit seiner Mitarbeitenden verantwortlich. Art. 6 Abs. 1 des Arbeitsgesetzes lautet:
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, zum Schutze der Gesundheit der Arbeitnehmer alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind.[…]
Für die Sicherheit der am Bau beteiligten Personen sind somit die jeweiligen Arbeitgeber verantwortlich: Der Bauunternehmer für die Bauarbeiter, das Ingenieurbüro für die Bauleiter etc.
Während die klare Verantwortung des Arbeitgebers bei Arbeiten am Betriebsort unproblematisch ist, ergeben sich Koordinationsfragen bei Tätigkeiten von Mitarbeitenden verschiedener Betriebe am gleichen Ort, also etwa auf einer Baustelle. Hier arbeiten Mitarbeitende verschiedener Unternehmen am gleichen Bauprojekt zusammen. Für diese Situation des „Zusammenwirkens mehrerer Betriebe“ sieht Art. 9 VUV eine Koordinationspflicht der beteiligten Unternehmen vor: Die Arbeitgeber haben „erforderliche Absprachen zu treffen“ und müssen „die notwendigen Massnahmen anordnen“. Sie haben sich gegenseitig zu informieren.
Einige Unklarheit herrscht in Bezug auf die Frage, ob sich die beteiligten Unternehmen gegenseitig kontrollieren müssen. Nach der von der usic vertretenen Position ist dies nicht der Fall, aber Gerichte haben unter gewissen Umständen bereits gegenteilige Urteile gefällt. Es scheint aber richtig, dass zum Beispiel die Bauleitung nicht etwa die Schutzvorkehren der Unternehmer (z.B. Absturzsicherung) nachmessen und kontrollieren muss, dass sie aber augenfällige Vorschriftswidrigkeiten des Unternehmers, wie etwa fehlende Absperrungen, die sie erkennen konnte, beanstanden muss.
Für die spezifischen Verhältnisse auf Baustellen wurde darüber hinaus die Verordnung über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Bauarbeiten (Bauarbeitenverordnung, BauAV) erlassen. Diese spricht direkt den Gesundheitsschutz und die Sicherheit der Arbeitnehmer bei Bauarbeiten an. Im Kern fordert die BauAV, dass Bauarbeiten so zu planen sind, dass das Risiko von Berufsunfällen und Berufskrankheiten oder Gesundheitsbeeinträchtigungen möglichst klein sind.
Die Bauarbeitenverordnung wurde revidiert. Die neue Verordnung tritt am 1. Januar 2022 in Kraft. Die suva hat zum neuen Recht eine Informationsseite mit den wichtigsten Informationen publiziert:
https://www.suva.ch/de-CH/material/Factsheets/neue-bauav-2022
Die Neuerungen der revidierten BauAV betreffen zum grössten Teil konkrete Sicherheitsvorgaben, namentlich für
- die allgemeinen Bauarbeiten (z.B. Einsatz von geeigneten Arbeitsmitteln bei Niveauunterschieden von mehr als 50 cm);
- die Arbeit auf Dächer (z.B. zusätzliche Schutzmassnahmen bei einer Dachneigung von mehr als 45);
- im Gerüstbau (z.B. Einwilligung des Gerüsterstellers bei Ein- und Anbauten am Gerüst);
- Arbeiten in Gräben, Schächten und Baugruben (z.B. Sicherheitsnachweis durch einen Geotechniker oder Fachingenieur neu bereits ab einer Neigung steiler als 2:1);
- Rückbau- und Abbrucharbeiten (z.B. Fortbildungspflicht für Spezialisten für Asbestsanierung).
Neu ist zudem, dass das notwendige Sicherheits- und Gesundheitsschutzkonzept schriftlich zu dokumentieren ist. Sinnvoll dürfte es sein, wenn für die Praxis – gemeinsam mit der suva – Standard-Sicherheits- und Gesundheitsschutzkonzepte erarbeitet werden, mit denen diese Pflicht nach BauAV (und gleichzeitig auch die Pflicht zur Koordination nach VUV) erfüllt werden kann. Die usic wird sich entsprechend engagieren.