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Wenn der Lehrling seine Geschwister betreut

Bildung Covid-19 Unternehmen Wirtschaft Donnerstag, 9. April 2020

Es ist bemerkenswert, wieviel man in so einer Krise über die Mitmenschen erfährt, hält Lukas Hochstrasser fest. Wir haben als Arbeitgeber unseren Mitarbeitenden sehr früh klare Instruktionen gegeben. Noch vor dem Lockdown wollten wir, dass sie auf den öffentlichen Verkehr verzichten. Zu ihrem und zum Schutz der Firma wollten wir nicht, dass sie sich auf dem Arbeitsweg anstecken und dann mit allen anderen auf engem Raum den Arbeitstag verbringen. Einige haben danach ein Abonnement für ein E-Bike gelöst, andere kamen mit dem normalen Velo oder dem Auto zur Arbeit. Für jene, die weit weg wohnen, haben wir die Firmenautos zur Verfügung gestellt. Jeden Tag haben wir aufs Neue organisiert, wer wen wann abholen geht.

Mit dem grundsätzlichen Wechsel ins Homeoffice haben sich Probleme ergeben. Wir haben das Glück, eine sehr offene Kommunikationskultur zu pflegen, so dass sich unsere Mitarbeitenden uns anvertrauen. Wir wussten von den meisten, ob sie zu einer Risikogruppe gehören oder nicht. Auch die grössten technischen Hürden bei jedem Einzelnen von uns waren schnell gelöst. Aber die Technik ist ja bei Weitem nicht alles, sondern auch die sozialen Voraussetzungen zuhause müssen stimmen, damit Homeoffice möglich ist. Wir sind deswegen fast täglich telefonisch mit unseren Mitarbeitenden in Kontakt, um zu hören, um uns nach ihrem Befinden zu erkundigen. Es ist jedoch schwieriger, per Telefon herauszufinden, wie es jemandem wirklich geht. Normalerweise sieht man sich jeden Tag und da reicht meist ein Blick, um die Gefühlslage einer Person zu erahnen.

Wenn jetzt Probleme auftauchen, merken wir schnell, dass wir für praktisch alles eine individuelle Lösung finden müssen

Wie geht man zum Beispiel mit einem Lernenden um, der wegen dem Schulausfall seine kleineren Geschwister betreuen muss, damit die Eltern arbeiten können? Was macht man mit der jungen Grossmutter, die ihre Enkel zwingend betreuen muss? Solche Konstellationen hat der Bundesrat nicht geregelt und auch wir können hier keine pfannenfertigen Lösungen aus der Schublade ziehen. Als Arbeitgeber können wir hier oft mit etwas gutem Willen und kleinem Aufwand eine grosse Hilfe für unsere Mitarbeitenden bieten.

Ich denke, wir haben sehr früh und laufend auf die Vorgaben des Bundesrates reagiert. Schon vor dem eigentlichen Lockdown des Bundesrates mussten zum Beispiel alle Bauleiter für das Abhalten von Bauleitungssitzungen die Einwilligung der Geschäftsleitung einholen. Auch haben wir als Geschäftsleitung darauf bestanden, dass die Bauleitungssitzungen gemäss den Vorgaben des Bundesrates stattfinden: maximal fünf Personen, draussen, zwei Meter Abstand. Es war eine bewusste Entscheidung, dies als Vorgabe für unsere Mitarbeitenden zu definieren. Gerade als junger Bauleiter ist es nicht immer einfach, sich gegen «alte Hasen» auf der Baustelle durchzusetzen und mit unserer Vorgabe haben sie verbindlich etwas in der Hand.

Wirtschaftlich geht es uns bis jetzt ganz okay. Ein paar wenige Baustellen wurden ausgesetzt, aber da handelt es sich um kleinere Privatprojekte. Auf den grossen Baustellen laufen die Arbeiten weiter, aber natürlich wird es Verzögerungen geben. Bis im Herbst halten wir unter diesen Umständen sicher gut durch. In Bezug auf die Gesamtwirtschaft und die Gesellschaft machen wir uns natürlich schon Sorgen. Die Auswirkungen können enorm sein und werden noch lange zu spüren sein.

Dieses Gespräch mit Lukas Hochstrasser wurde am 9. April 2020 geführt
Vorsitzender der Geschäftsleitung der smt AG

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